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ASSUAN, AGYPTEN

Syene: Archäologisches Projekt in Assuan, Ägypten

Archäologie der Römischen Provinzen im Spiegel der südlichsten Stadt des Imperium Romanum
Syene liegt unmittelbar nördlich des ersten Nil-Kataraktes und war die südlichste Stadt des Imperium Romanum. Zur Kenntnis der Grenzsituationen am Rand der römischen und byzantinischen Welt ist die Stadt, die stets zusammen mit dem alten Kult-, Herrschafts- und Handelszentrum auf der gegenüberliegenden Insel Elephantine gesehen werden muss, sehr aufschlussreich: Hier bündelten sich nicht nur die Handelsstrassen von und in Richtung Nubien. Granit aus den Steinbrüchen bei Assuan wurde auch in römischer und byzantinischer Zeit an die Grossbaustellen des Mittelmeerraums geliefert. Um Syene etablierte sich dank hervorragender, zum Teil kaolinitischer Tonvorkommen in römischer Zeit eine ausgedehnte Keramikproduktion, die bis ins Mittelalter blühte. Diese Erzeugnisse wurden weit nach Süden und nach Norden verhandelt. Mit den regen Verbindungen nach Norden gelangten Importe aus dem ganzen Mittelmeerraum nach Syene, die für die Kenntnis der Handelsgeschichte und der damaligen politischen und kulturellen Kontakte grundlegend sind. Bis Syene reichte dank der Kultur- und Wasserstrasse des Nils der Einfluss des Mittelmeerraums.

Seit 2000 führt das Schweizerische Institut für Ägyptische Bauforschung und Archäologie (Kairo) unter der Leitung von Dr. Cornelius von Pilgrim im Zentrum der Stadt, das durch moderne Bebauung stark bedroht ist, planmässige Rettungsgrabungen durch. Zum ersten Mal werden an dieser kulturellen Nahtstelle vor dem ersten Katarakt des Nils ausgezeichnet erhaltene Baustrukturen aus ptolemäischer, römischer, byzantinischer bis früharabischer Zeit mit modernen Methoden ausgegraben und dokumentiert.

Drei Jahre später begann auf Anfrage des Schweizer Instituts in Kairo die Abteilung Archäologie der Römischen Provinzen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie der Römischen Provinzen der Universität Bern mit einem von der Universität Bern und dem Schweizer Institut in Kairo geförderten Vorprojekt, das der ersten Übersicht und angesichts oft enormer Fundmassen der Evaluierung des bestens Vorgehens diente. Wie fast immer im Mittelmeerraum und den damit im Süden verbundenen Gebieten besteht der grösste Teil der im Boden erhaltenen Sachkultur aus den Scherben der nicht mehr weiter verwendbaren Keramik.

Ziel der Grabungen und der eng damit verbundenen Auswertung der Funde ist die Erforschung der antiken Stadt und ihrer Geschichte. Die reichhaltigen Funde werden einen Längsschnitt durch die Geschichte einer bedeutenden Stadt Oberägyptens für eine Zeit ermöglichen, die in diesem Raum bisher unter dem Eindruck der altägyptischen Kulturen vernachlässigt wurde. Später soll ein archäologischer Park eingerichtet werden, der Einblick gibt in das Leben und die Entwicklung dieses schon immer bedeutenden Handelszentrums an strategischer Lage.

Kontakt:
Universität Bern
Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie der Römischen Provinzen
Bernastrasse 15 A
3005 Bern

stefanie.martin-kilcher@sfu.unibe.ch
http://www.sfu.unibe.ch
http://www.unibe.ch

Einige der zierlichen Becher mit Barbotine-Auflage aus dem Keller.

Nach dem Einsturz des Hauses blieben einige Gefässe im Raum mit dem Tonnengewölbe unversehrt in einer Ecke stehen, darunter die aus Palästina oder dem Sinaigebiet importierte grosse Weinamphore.

Ein Stimmungsbild: Ein Teil der Keramik nach dem Zusammensetzen und Katalogisieren. Aufgenommen im Hof zwischen Funddepot und Grabungshaus, in dem der grösste Teil der Arbeit mit den Funden selbst vor sich geht.

Ein Auswertungsprojekt in Neuland
Das von der SLSA seit 2006 unterstützte Projekt ist am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie der Römischen Provinzen der Universität Bern angesiedelt und gilt der Auswertung der sehr zahlreichen keramischen Funde in ihrem archäologischen Kontext, die bei den neuen Schichtgrabungen in Assuan-Syene in den Strukturen aus den Epochen seit ptolemäischer und bis in frühislamischer Zeit zutage kommen.

Mit der wissenschaftlichen Bearbeitung dieser Funde wird zum grössten Teil Neuland betreten, weil man zwar wohl die wichtigsten Formen des Tafelgeschirrs kennt, nicht aber das gesamte Küchen- und Vorratsgeschirr. Man kennt wohl für einen Teil des Geschirrs die ungefähre Zeitstellung, nicht aber eine genauere Datierung und insbesondere nicht die chronologische Entwicklung. Erstes Etappenziel des Berner Projektes ist es deshalb, Grundlagen der Formenübersicht insgesamt und die chronologische Entwicklung der Keramik von der späten Ptolemäerzeit bis in frühislamische Zeit zu erarbeiten (ca. 100 v. Chr. – 800 n. Chr.). Genauer datierbare Importe aus dem Mittelmeerraum sind selten, aber immerhin vorhanden; nur zuweilen geben Münzen zeitliche Hinweise. Wesentlich ist deshalb die Arbeit mit den Schichtkontexten, um die Zusammensetzung und Kombination der verschiedenen Gefässe innerhalb einer gleichen Ablagerung oder Bauphase zu überblicken.

Im Vergleich mit den baulichen Massnahmen – soweit diese im Boden Spuren hinterlassen – können so die Funde aus stratigrafisch als gleichzeitig erkannten Aktivitäten untersucht werden. Es handelt sich um Neu- und Umbauten von öffentlichen Bauten und privaten Häusern, gewerbliche Einrichtungen, städtische Infrastrukturen und Strassenbauten. Sie bilden ein geschichtliches Archiv im Boden, aus dem oft gewaltige Fundmassen zutage kommen. In Verbindung mit den Baubefunden wird es möglich, besiedlungsgeschichtliche und historische Fragestellungen anzugehen, die Lebensweise, Fragen der Akkulturation und des Kulturwandels beinhalten und zur Kenntnis von Handel und Austausch beitragen. Angesichts des bisherigen Kenntnisstandes braucht es eine gewisse Zeit, um zu diesen Themen vorzustossen. Die Erfahrung in anderen Projekten zeigt aber, dass sich bei derartigen Unternehmungen gründliche Basisarbeit auszahlt und die Vernetzung mit den stratigrafischen Befunden für beide Seiten – Befundinterpretation und Auswertung der Funde – unerlässlich ist.

Prof. Stefanie Martin-Kilcher, Projektleiterin