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SUMATRA, INDONESIEN

Kerinci: Archäologisches Projekt in Sumatra (Indonesien)

Kurzbericht der ersten archäologischen Kampagne in Kerinci
Das Hochland von Kerinci liegt südlich des Äquators im Westen von Sumatra. Toponyme der Region sind im Norden der Gunung Kerinci, die mit 3085 m höchste vulkanische Erhebung Sumatras, und im Süden der Kerinci-See auf einer Höhe von 783 m ü. M. Die Region war in der Vergangenheit ein wichtiger Rohstofflieferant. Gold, Elfenbein und begehrte Duftharze wie Kampfer und Benzoin werden in chinesischen, indischen und arabischen Quellen genannt. Der Zugang zu diesen Gütern ermöglichte zum Beispiel im 7. Jahrhundert dem Reich von Srivijaya, im Tiefland von Sumatra, den Aufstieg zur zentralen Seehandelsmacht im Indischen Ozean. Für Kerinci selbst liegen keine historisch verwertbaren Quellen vor, die älter als das 18. Jahrhundert sind. Frühere Besiedlungsspuren finden sich jedoch in Form archäologischer Hinterlassenschaften wie Keramik, Steinartefakte und einer beachtlichen großen Zahl an Megalithen.

Im Sommer 2003 ist die Region südlich des Kerinci-Sees erstmals Ziel eines von der Schweizerisch-Liechtensteinischen Stiftung für archäologische Forschung im Ausland (SLSA) unterstützten archäologischen Projektes gewesen. Das internationale Forschungsteam setzte sich aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universitäten in Bern/Schweiz, Freiburg und Leipzig/Deutschland, Leiden/Niederlande sowie dem Archäologischen Forschungszentrum in Jakarta/Indonesien und dem Antikendienst der Provinz Jambi auf Sumatra/Indonesien zusammen.

Die archäologischen Aktivitäten umfassten:

  • die archäologische Grabung in Sungai Hangat im Flusstal des Air Hitam (Abb. 1-2)
  • der archäologische Survey in der Umgebung von Sungai Hangat (Abb. 3)
  • die archäologische Grabung am Ort des Megalithen von Pondok (Abb. 4-6)
  • der archäologische Survey in der Umgebung des Megalithen von Pondok (Abb. 7-8)

Kontakt:
Freie Universität Berlin
Institut für Vorderasiatische Altertumskunde
Hüttenweg 7
D-14195 Berlin

bonatz@zedat.fu-berlin.de
www.fu-berlin.de/vaa.html

Abb. 1: Sungai Hangat im Flusstal des Air Hitam.

Abb. 2: Sungai Hangat im Flusstal des Air Hitam.

Abb. 3: Umgebung von Sungai Hangat.

Abb. 4: Der Megalith von Pondok.

Die Ziele einer archäologischen Untersuchung der Region drängen sich vor diesem Hintergrund auf. Erstens sollte es möglich sein, die Megalithen von Kerinci einem gesellschaftlichen Kontext zuzuordnen, dessen zeitliche Stellung und materielle Existenzform bestimmt werden. Zweitens gilt es zu erklären, welche Stellung die „Megalithkultur“ von Kerinci im Rahmen der gesamten Siedlungsgeschichte dieser Region einnimmt und, damit verbunden, welche Kulturstufen vorher und danach existiert haben. Drittens soll die zu rekonstruierende Siedlungsgeschichte Kerincis in Beziehung zu Parallelentwicklungen in Sumatra gesetzt werden, um damit neue Erkenntnisse für das bis dato mehr als lückenhafte Geschichtsbild im südostasiatischen Archipel liefern zu können.

Methodisch soll zur Beantwortung der gestellten Fragen während der ersten zwei geplanten Untersuchungskampagnen in Kerinci wie folgt verfahren werden.

  • Ein archäologischer Survey in einem ca. 50 km2 großen Untersuchungsgebiet südlich des Kerinci-Sees soll anhand von Oberflächenfunden die Dichte der Besiedlung in diesem Raum eruieren.
  • Sondierungen an der Stelle von Megalithen sollen helfen, deren Kontext, d. h. auch deren Funktion, zu klären und, wenn möglich, anhand der Funde zu datieren.
  • Eine großflächige Ausgrabung soll Siedlungsstrukturen verschiedener Zeithorizonte aufdecken. Damit wird eine Stratigraphie erstellt, die zur Grundlage der zeitlichen Einordnung aller archäologischen Funde in dieser Region wird.

Die Untersuchungen erbrachten reiche archäologische Befunde zur Siedlungsgeschichte Kerincis im 2. Jahrtausend n. Chr. Wie die Funde aus den beiden Survey-Gebieten zeigen, ist für diese Zeit von einer hohen Siedlungsintensität im Bereich südlich des Kerinci-Sees auszugehen. Grundlage dieser Siedlungsdichte und -kontinuität dürfte neben der günstigen agrarwirtschaftlichen Ausgangssituation das durch den Handel mit dem Tiefland erzielte wirtschaftliche surplus gewesen sein. Die archäologischen Funde bestätigen die durch sekundäre schriftliche Quellen bezeugte Kontinuität im Handel ab der Mitte des 2. Jahrtausends.

Die Ausgrabung in Sungai Hangat lieferte Fundmaterial insbesondere für die vorkoloniale, d.h. islamische, und die frühe koloniale Phase unter den Holländern. Der Ort belegt die Existenz relativ wohlhabender Siedlungsplätze im Talbereich. Diesen Wohlstand, der sich durch das reiche Repertoire an Keramik, einschließlich zahlreicher chinesischer Importe, und anderer Kleinfunde ausdrückt, hängt wahrscheinlich mit der profilierten Stellung von Orten wie Sungai Hangat als für den Handel wichtige Kontrollstellen zusammen. Eine Form der handwerklichen Spezialisierung, dürfte die für Sungai Hangat notierte Massenproduktion der Fußschalen gewesen sein (Abb. 9). Die Keramik aus Sungai Hangat markiert das Ende der keramischen Tradition im Kerinci-Gebiet, da die Produktion im Laufe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingestellt wird. Sie bietet aus typologischen und chronologischen Gesichtspunkten eine wichtige Basis für alle zukünftigen Keramikuntersuchungen.

Die Ausgrabungen in Pondok liefern für diesen Fundplatz einschließlich dem hier befindlichen Megalith (Abb. 4) ein erfreulich klares Bild seiner Besiedlung zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert n. Chr. Zeichen einer jüngeren Besiedlung finden sich hier nicht. Der Ort bestätigt somit, dass das Auffinden einphasiger Siedlungsplätze prinzipiell möglich ist, was für die Rekonstruktion der Siedlungsgeschichte in der Region von Kerinci insgesamt von großer Bedeutung ist. Die Dokumentation eines Hauses (Abb. 6) an der Stelle eines Megalithen und die weiteren damit in Verbindung stehenden Funde (Abb. 9) stellen einen bis dato einmaligen Befund in der Archäologie Sumatras dar und liefern wichtige neue Erkenntnisse zur Erforschung der Megalithkomplexe im indonesischen Archipel. Die datierte Keramik von Pondok wird eine wichtige Grundlage zur Untersuchung der formalen, stilistischen und technologischen Keramikentwicklung in der Region sein, insofern sie deutlich älter ist als diejenige aus Sungai Hangat. Da sie zugleich das zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Forschung älteste aus einem archäologischen Kontext stammende Material ist, stellt sich als Forschungsaufgabe für die Zukunft die Frage nach dem Vorhandensein bzw. der Auffindbarkeit älteren Materials.

Abb. 5: Ausgrabung beim Megalithen von Pondok.

Abb. 6: Pfostenlöcher eines Hauses beim Megalithen von Pondok.

Abb. 7: Umgebung von Pondok.

Abb. 8: Tonschale von Pondok.

Grabungsarbeiten 2006
Das Hauptaugenmerk der dritten Feldkampagne im Hochland von Jambi bildeten archäologische Untersuchungen an dem nahe Renah Kemumu im Tal von Serampas gelegenen Ort Dusun Tinggi. Es handelt sich um eine der für diese Region typischen befestigten Dorfanlagen aus dem 18./19. Jahrhundert, für die es bislang jedoch keine einzige archäologische Dokumentation gibt. Mit der Erstellung eines vollständigen topographischen Plans des Ortes und mehreren Sondagen, die u. a. zur Lokalisierung eines zentralen Versammlungshauses geführt haben, konnte die angestrebte Dokumentation erfolgen und damit eine wichtige Lücke zur Rekonstruktion der Siedlungsgeschichte im Hochland von Jambi geschlossen werden.

Im Rahmen der fortschreitenden Oberflächenbegehung im Serampas-Tal konnte ferner ein wichtiger neuer Fundplatz am Bukit Arat identifiziert werden. Eine durchgeführte Testgrabung förderte reiches Material aus dem frühen Neolithikum zutage und liefert damit neue Erkenntnisse zur erstmaligen Besiedlung dieser Region.

Als dritte Komponente der Aktivitäten 2006 ist die Sondierung weiterer Fundplätze mit Megalithen im Süden des Forschungsgebietes, in der sog. Pratin Tuo-Region zu nennen. Die Zahl der insgesamt dokumentierten Megalithen erhöht sich damit auf 20.

Abb. 9: Fussschale.

Dusun Tinggi (2006), Grundsteine eines großen Versammlungshauses (bale).

Dusung Tinggi (2006), Momentaufnahme.

Dokumentation eines neuen Megalithen in Dusun Tuo (2006).

Grabungsarbeiten 2008
Die vierte archäologische Feldkampagne fand vom 26. Juli bis 23. August 2008 statt. Die in diesem Jahr maßgeblich an dem Projekt beteiligten deutsch-indonesischen Wissenschaftler sowie deutsch-schweizerischen Studenten waren Prof. Dr. Dominik Bonatz (Freie Universität Berlin), Sri Mahaini (Balai Arkeologi Palembang), Amardi (Balai Arkeologi Palembang), Dr. Mai Lin Tjoa-Bonatz (Berlin), Sebastian Steiger (Universität Bern), Manfred Tonch (Freie Universität Berlin).

Ziel der diesjährigen Kampagne war im Wesentlichen die fortsetzende und zugleich abschließende Untersuchung der archäologischen Fundplätze im Gebiet von Serampas im Hochland von Jambi. Erforscht wurden hier bereits 2005 die Stätte eines Megalithen aus dem ungefähr 12. Jh. n. Chr. und ein Urnenfeld aus dem 9. bis 10. Jh. n. Chr., sowie 2006 eine befestigte Dorfanlage aus dem 17. bis frühen 19. Jahrhundert n. Chr. Im gleichen Jahr ergab eine Sondage an einem im Rahmen der fortlaufenden Survey-Aktivitäten neu entdeckten Fundort Hinweise für einen womöglich früh datierenden neolithischen Siedlungsplatz. Da es bislang keine direkten Belege für sesshafte Siedlungsplätze aus der Zeit vor den Megalithen im Hochland von Jambi bzw. den Gebieten von Kerinci und Serampas gibt, wurde dieser viel versprechende Fundort nun in diesem Jahr während einer dreiwöchigen Ausgrabung systematisch erforscht.

Ausgrabungen auf dem Bukit Arat
Der Bukit Arat genannte Fundort liegt ungefähr 500 m südwestlich des modernen Dorfes Renah Kemumu. Er erhebt sich als zum Teil künstlich aufgesiedelte Erhebung gleich einer Insel über den Nassreisfeldern im Tal, die das wirtschaftliche Herzstück des Dorfes bilden. Auf den beiden Kuppen des Hügels wurden fünf Grabungsareale (A-E) mit einer Gesamtfläche von 244 m2 angelegt.

In vier der fünf Arealen wurde eine auffallend große Zahl an Obsidianen, vor allem Abschläge, aber auch Klingen, Schlagsteine und Reste von Obsidianknollen gefunden. Der Befund spricht dafür, dass an dieser Stelle Obsidiangeräte produziert wurden, und zwar in einer Anzahl, die weit über den Bedarf einer einzelnen Siedlung hinausgehen dürfte. Für die Existenz einer Siedlung an gleicher Stelle spricht die zahlreich gefundene Keramik, welche allerdings nur in einem Areal (E) die Zahl der Obsidianfunde übertrifft. Es deutet sich damit an, dass die Behausungen, von denen leider keine direkten Spuren nachgewiesen werden konnten, versetzt von den Stätten der Obsidianproduktion, deren Mittelpunkt die beiden Kuppen bilden, lagen. Die Analyse der Obsidiangeräte und -abschläge (ca. 20 kg Fundmaterial wurden zu diesem Zweck nach Deutschland verbracht) verspricht Einsichten in die bislang gänzlich unerforschte Obsidanverarbeitung auf Sumatra.

Die Keramik ist besonders groben Typs, mit reicher mineralischer Magerung und rötlich-oranger Brennfarbe. Schalen und Kochgefäße, letztere häufig stark verschmaucht, bilden das Standrepertoire. Die Wand der Gefäße ist infolge der für die gesamte Region typischen „paddle-and-anvil“- Technik, bei der der „paddle“ (das Schlagholz) mit Schnüren umwickelt wurde, häufig mit Schurabdrücken verziert. Die Keramik ähnelt vor allem der 2005 im Urnenfeld von Renah Kemumu gefundenen Ware, die in das 9.-10. Jh. n. Chr. datiert werden konnte. Allerdings hat die Thermoluminiszenzdatierung von zwei im Rahmen der 2006 durchgeführten Sondage auf dem Bukit Arat gefundenen Scherben für diesen Fundplatz das erstaunliche hohe Alter von 3,700 ± 280 vor heute ergeben, während eine Holzkohleprobe das 14C Datum von 1,160 ± 180 vor heute erbrachte. Mit Hilfe der Analyse weiterer Keramik- und Holzkohleproben, die in diesem Jahr systematisch aus den verschiedenen Grabungskontexten am Bukit Arat entnommen wurden, sollen die Daten abgeglichen und, wenn möglich, ein eindeutiges Ergebnis zur Datierung des Fundortes erzielt werden. Sollte sich das frühe Datum bestätigen, wäre am Bukit Arat die älteste auf Sumatra datierte Keramik zu finden. Aber auch im Fall einer jüngeren Datierung liefert der Fundort einen wichtigen neuen Einblick in die frühesten Siedlungsaktivitäten und, damit verbunden, Prozesse der Sesshaftwerdung im Hochland von Sumatra. Mit ihm schließt sich die Rekonstruktion der Siedlungsgeschichte im Serampas-Gebiet von den Anfängen der Sesshaftigkeit und Agrarwirtschaft über die Phase der Megalithen bis zum Aufkommen befestigter Dorfanlagen in präkolonialer Zeit

Surveyaktivitäten im südlichen Kerinci-Gebiet
Parallel zu den Ausgrabungen am Bukit Arat im Serampas-Gebiet wurden die Survey-Aktivitäten im Gebiet südlich des Kerinci-Sees fortgesetzt. Hier hatten 2003 die ersten Ausgrabungen im Rahmen des Projektes stattgefunden und waren seitdem systematisch Fundorte von Megalithen und andere durch Oberflächenfunde ausgewiesene archäologische Siedlungsplätze kartiert worden. In diesem Jahr konnte ein neuer Megalith nahe von Pulau Sangkar und damit in Sichtweite des Batan Merangin entdeckt werden, womit sich die Gesamtzahl der Megalithen im Hochland von Jambi (Regionen von Kerinci, Serampas und Sungai Tenang) auf 21 erhöht. Der Stein ist annähernd drei Meter lang und weist die für die Kerinci-Region typische konische Form auf. Er ist mit einem geometrisch-figürlichen Relief überzogen, das ikonographisch eng an die Megalithen in Pondok und Lolo Gedang anschließt.

Ein neuer wichtiger Fundort konnte bei Lolo Gedang sondiert werden. Bei der Anlage einer neuen Plantage kamen dort mehre große Keramikgefäße zutage, die soweit erkennbar, mit Beigaben in Form von Keramik und Metallobjekten ausgestattet sind. Folglich handelt es sich um Grabgefäße. In unmittelbarer Nähe weisen Oberflächenfunde von Keramik auf eine ausgedehnte Siedlung.

Kooperationspartner

  • Institut für Vorderasiatische Archäologie, Freie Universität Berlin/Deutschland
  • Ethnologisches Institut, Universität Bern/Schweiz (Prof. Dr. Heinzpeter Znoj)
  • Faculty of Social and Behavioural Sciences, Universität Leiden/Niederlande (Prof. Dr. Reimar Schefold)
  • National Research Centre of Archaeology, Jakarta/Indonesien (Dr. Tony Djubiantono)
  • Historical and Archaeological Preservation Office, Jambi/Indonesien (Drs. Winston Mambo)
  • Faculty of Arts and Social Sciences, National University of Singapore, Singapur (Prof. Dr. John N. Miksic)
  • Prof. Dr. Dominik Bonatz, Projektleiter