Im unteren Palpatal an der Südküste Perus liegt der Petroglyphen-Fundort Chichictara. Rund 150 bearbeitete Felsblöcke befinden sich in einem trockenen Seitental und am östlichen Rand des Palpatales. Die in das weiche magmatische Gestein eingepickten Bilder zeigen antropomorphe, zoomorphe und geometrische Figuren, ja sogar ganze Szenen aus dem damaligen Leben. Die meisten dieser Petroglyphen können aufgrund ikonografischer Vergleiche der Initialzeit (1800 – 800 v. Chr.) und der nachfolgenden Paracas-Kultur (800 – 200 v. Chr.) zugewiesen werden. Die Petroglyphen von Chichictara gehören zur eindrücklichen Fülle symbolbeladener archäologischer Zeugnisse im Nasca-Gebiet. Dank der zehnjährigen Förderung der Untersuchungen in Palpa durch die SLSA ist die kulturelle Entwicklung in dieser Gegend in einzigartiger Genauigkeit und Vollständigkeit erforscht worden (SLSA – Projekte „Nasca in Palpa“ und „Paracas in Palpa“). Für die Interpretation der Petroglyphen ist dies eine optimale Ausgangslage. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass das Chichictara-Projekt die zehnjährige archäologische Tätigkeit im Gebiet von Palpa auf eindrückliche Weise abzurunden vermag.
PERU
Chichictara: Prähistorische Petroglyphen in Südperu
Kontakt:
Universität Zürich
peterfux@mac.com
http://www.photogrammetry.ethz.ch
http://www.prehist.uzh.ch
Lage von Palpa an der Südküste Perus (2006).
Panoramafoto des unteren Palpatales mit dem Fundort Chichictara (rot eingerahmt).
Der Petroglyphen-Fundort Chichictara.
Projektbeschreibung
Die Petroglyphen sind ein gestalterischer Eingriff in die anstehende natürliche Umgebung. Daher sollten nicht nur die Zeichnungen, sondern auch ihre Lage in der Landschaft dokumentiert und in der archäologischen Interpretation miteinbezogen werden. Die Kernzone im Rahmen der Projektarbeiten, welche mit über 60 bearbeiteten Felsen die meisten Petroglyphen des Gesamtbereiches aufweist, wird mit einem terrestrischen Laserscanner vermessen. Aus den gewonnenen Daten lässt sich ein dreidimensionales digitales Geländemodell von Chichictara erstellen. Die einzelnen Felsen mit Petroglyphen werden photogrammetrisch erfasst und ebenfalls dreidimensional digital rekonstruiert. Die einzelnen Petroglyphen werden vektorisiert, vermessen und katalogisiert. Danach fügen wir die Felsmodelle exakt in das dreidimensionale Geländemodell ein.
Anschliessend wird das virtuelle Chichictara in ein dreidimensionales Geländemodell der grösseren Umgebung von Palpa mit seinen Tälern eingebracht, das aus ASTER – Satellitenbildern errechnet wird. Dem Gesamtmodell unterlegen wir eine Datenbank (GIS), welche mit archäologischen Daten abgefüllt wird, die während der Aktivitäten innerhalb der SLSA – Projekte („Nasca in Palpa“ und „Paracas in Palpa“) gewonnen wurden. Die mit diesen Arbeiten erzeugten Daten und Visualisierungsmöglichkeiten erlauben eine archäologische Interpretation der Petroglyphen, die weit über die normalerweise üblichen ikonographischen Studien hinausgehen. Die Petroglyphen können in ihrem archäologischen und topographischen Kontext „gelesen“ werden. So sind wir endlich in der Lage, Felsbilder nicht nur zu katalogisieren und typologisieren, wie das in der Archäologie längst praktiziert wird, sondern ihrer Stellung in der damaligen Gesellschaft und ihrer Deutung fundiert nachzugehen.
Petroglyphe von Chichictara.
Petroglyphe von Chichictara.
Feldarbeiten im Herbst 2006
In den Monaten September und Oktober 2006 konnten die Feldarbeiten des Chichictara-Projektes erfolgreich durchgeführt werden.
1. Laserscanning
In Kooperation mit der HafenCity Universität Hamburg (Prof. Th. Kersten, Department Geomatik) wurde das Gelände (300 x 400 m) von 14 Standpunkten aus mit einem terrestrischen Laserscanner vermessen. Der Scanner misst im Impulslaufzeitverfahren bis zu 5000 Punkte pro Sekunde. Die Messgenauigkeit liegt bei 6 mm auf 200 m Distanz. Betrieben wird der Scanner mit einem Benzingenerator, die Steuerung läuft über das Laptop. Die sechstägige Feldarbeit ergab 27 Millionen Messpunkte. Die Auflösung des Geländes beträgt 15 cm auf eine Distanz von 100 m. Die im Gelände mit weissen Kunststoffkugeln gekennzeichneten Passpunkte wurden vom Scanner automatisch erkannt, womit die relative Position des Gerätes zu den Passpunkten errechnet werden konnte. Die Passpunktkoordinaten ermittelten wir mit einem Tachymeter. Anschliessend konnten die Scannerstandpunkte mit einer durchschnittlichen Genauigkeit von 1.5 cm in ein lokales Koordinatensystem transformiert werden. Die absoluten Koordinaten bestimmten wir mit GPS-Messungen.
2. Photogrammetrie
In Kooperation mit der ETH Zürich (Prof. Dr. A. Grün, Institut für Geodäsie und Photogrammetrie) konnten während der Feldkampagne sämtliche mit Petroglyphen versehenen Felsen photogrammetrisch erfasst werden. Jeder Fels wurde aus unterschiedlichster Perspektive mit einer hochauflösenden Digital-Spiegelreflexkamera fotografiert, was pro Fels 20 bis 80 Bilder ergab. Vorgängig versahen wir die Felsen mit wieder abnehmbaren so genannten Targets (Kartonplättchen mit konzentrischem Kreismuster), einem Nordpfeil und einem Massstab. Die Targets helfen bei der anschliessenden 3D-Modellierung der Felsen. Sind nämlich mehrere Targets auf verschiedenen Fotos aus unterschiedlicher Perspektive zu erkennen, kann mittels einer speziellen Photogrammetrie-Software die Kamera-Position für jedes Foto ermittelt werden. Die Bilder werden so orientiert und ein 3D-Modell des Felsens kann erstellt werden. Der Nordpfeil und eine dreifache GPS-Messung ermöglichen die Ausrichtung des Objektes und der Massstab erlaubt die exakte Skalierung des Modells.
3. Survey
Mehrere Surveys während der Feldkampagne ergaben, dass sich der Fundort Chichictara an einer damals intensiv begangenen Fernhandelsroute befindet, die das Hochland mit der Küstenregion verbindet. Spuren des Fusspfades sind noch deutlich erkennbar und Keramikfunde bezeugen die damalige Nutzung. Erhärtet wurde diese Annahme noch durch den Umstand, dass im Hochland auf rund 3200 m ü. M. ein weiterer Petroglyphen-Fundplatz an der postulierten Handelsroute gefunden werden konnte. Der ausgedehnte archäologische Fundplatz Botiqiriyayoq befindet sich auf einer Höhe von 3200 m ü. M. ebenfalls an dieser Route. Zudem liegt Chichictara genau dort, wo der Fusspfad, der hauptsächlich in ausgesetzter Gratlage angelegt ist, das fruchtbare Palpa-Tal erreicht. Die Petroglyphen im Hochland sind ganz in der Nähe einer alten Wasserstelle gelegen. Es ist daher sinnvoll, die Deutung der Petroglyphen auch unter dem Gesichtspunkt der Fruchtbarkeit und des Wassers zu suchen.
Der Laserscanner im Gelände.
Ein Passpunkt für das Scanning.
Die Arbeiten am Laptop in der der Wüste.
Ausblick
Die Fertigstellung des Laserscan-Geländemodells und die photogrammetrische Modellierung der Felsen finden an der HafenCity Universität Hamburg und an der ETH Zürich statt. Anschliessend wird eine Software entwickelt für die Vermessung und Vektorisierung der einzelnen Petroglyphen. Das virtuelle Chichictara wird dann in das auf ASTER–Satellitenbildern basierende Geländemodell der Umgebung von Palpa mit seinen Flusstälern eingebaut. Das resultierende Gesamtmodell werden wir mit einer Datenbank (GIS) verknüpfen, die archäologische und topografische Daten enthält, welche während der zehnjährigen Tätigkeit durch die SLSA–Projekte im Gebiet gesammelt werden konnten. Damit werden wir den rein dokumentarischen Arbeitsvorgang abschliessen, der uns eine optimale Datengrundlage sein wird für die darauf folgende archäologische Analyse an der Universität Zürich (Abteilung für Ur- und Frühgeschichte, Prof. Dr. Ph. Della Casa) durch Peter Fux.
Die Datengrundlage erlaubt vielfältigste Untersuchungen: Ähnlichkeitsverbindungen der Petroglyphen mit anderen archäologischen Zeugnissen, wie beispielsweise Geoglyphen, lassen sich visualisieren, und ihre topographischen Zusammenhänge können wir analysieren. Über Ähnlichkeitsstudien mit absolut datierbarem Material, wie etwa Keramik aus physikalisch datierten Gräbern, kann eine chronologische Einordnung der Petroglyphen erreicht werden. Einfach zu erstellen wird auch eine topographische Verteilungsanalyse von einzelnen ikonographischen Klassen sein. Vergleiche und Verbindungen über mehrere Objektgruppen hinweg, die auch topographisch in der Datengrundlage eingebunden sind, ermöglichen Deutungsversuche der Petroglyphen. Und nicht zuletzt soll ein Verständnis der damaligen gesellschaftlichen Bedeutung des Ortes Chichictara resultieren, das mit dem dokumentierenden Gesamtmodell argumentativ abgestützt und visualisiert werden kann. Der geplante Abschluss der Arbeiten ist Ende 2007.